Dunkle Städte Helle Stätten
Istanbul Beyoglu
Das Viertel am Bosporus
Istanbul Beyoglu, das Viertel zwischen Goldenem Horn und Bosporus, hier lebten schon zur Osmanenzeit Griechen, Juden, Armenier nebeneinander, und noch in den zwanziger Jahren tanzte Atatürk in den mondänen Salons. Nach Jahrzehnten ist Beyoglu wieder ein Zentrum der Stadt.
Ein dokumentarischer Blick in das ehemalige Nachtleben Istanbuls und ein inzwischen historischer Blick auf einen hoffnungsvollen Aufbruch Ende der 90er Jahre.
Fotografiert 1997 für GEO.
Lambda C-Prints, 30x43cm, sig., st., 1999
Die Sonne ist westwärts vergangen. "Wir sind am Horizont des unverrückbaren Abends", heißt das osmanische Trinklied. Im Lokal Hayyam, in rotes, gelbes, blaues Neonlicht getaucht, singen alle mit. Plötzlich schnappen sich die Frauen – keine ist unter 50 – Männer und beginnen zu tanzen. Doch was? Ist es Walzer? Tango?
Auf jeden Fall sind es menschliche Körper in erotischer Bewegung. Eine Frau schiebt sich die Hälfte einer Banane in den Mund und fordert ihr gehorsames gegenüber auf, es ihr gleichzutun.
Sie tanzen, rufen, lachen, und mittendrin beginnt die Frau mit dem blond gefärbten Haar, ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Eine große Ballettänzerin sei sie gewesen. Doch dann habe sie, in einer edlen amerikanischen Limousine unterwegs, einen Unfall gehabt und sich das Bein gebrochen.
Ihr Großvater, ein Abchase aus dem Kaukasus, sei einst zu lebenslänglich in Sibirien verurteilt worden. Er sei aber ausgebrochen, habe eine Russin entführt, sie geheiratet und sei über das schwarze Meer nach Trabzon geflohen. Der große Atatürk, Allah habe ihn selig, habe dem Flüchtling schließlich eine Haselnuß-Plantage vermacht. Ebru Cilim sei ihr Name, sagt sie, übersetzt: "Mein rotgeflammtes Leiden"...
GEO special Türkei
Text: Ömer Erzeren