Die Wirkkraft des fotografischen Bildes
Ausstellung MACHT UND RITUAL
mit Fotografien von Bernd Arnold
Text: Stefanie Lieb
Von November 2013 bis Januar 2014 wurde in den Räumen der Akademie (Katholische Akademie Schwerte) der Fotografie-Zyklus MACHT UND RITUAL des Kölner Künstlers Bernd Arnold gezeigt.
Das ausgestellte Konvolut von Schwarz-Weiß-Fotos war eine aktualisierte Auswahl aus einer weitaus größeren gleichnamigen Serie, an der Bernd Arnold seit 1986 kontinuierlich gearbeitet hat. Diese Serie besteht aus mehreren Einzelzyklen wie dem "Kölner Heil" als einer Dokumentation der Liturgien und Feierlichkeiten des katholischen Kölns rund um den Dom, den "Wahlkampfritualen" als Bildern von den Bundestagswahlkämpfen seit Willy Brandt bis zu Angela Merkel, "dem Gipfel" als Darstellung der Weltwirtschaftstreffen, dem Zyklus "Ist die Welt eine Mattscheibe" als Charakterisierung der Fernsehwelt und schließlich "Eine Nacht im Milieu" als Bildstudie über die Kölner Halbwelt in den 1990er Jahren.
Außer den Fotografien der Weltwirtschaftsgipfel wurden in der Ausstellung alle vier Themenblöcke mit Fotos dokumentiert: Es begann in der Halle mit dem "Kölner Heil" und dem Eyecatcher der Ausstellung, dem Arm von Kardinal Meissner im Fenster der Limousine bei seiner Amtseinführung 1989. Ein Motiv, das gerade zufällig durch die im Herbst 2013 angeheizte Diskussion über die Angemessenheit von Machtpräsentation innerhalb der katholischen Kirche eine zusätzliche Brisanz erhielt. In der ZEIT-Beilage "Christ & Welt" Ende Oktober 2013 wurde besonders mit diesen Bildern des Kölner Heils ein Fotoessay zusammengestellt und die u.a. durch die Limburger Situation hervorgerufen Krise der katholischen Kirche diskutiert.
An das "Kölner Heil" schloss der Zyklus zu den Wahlkämpfen an, der gerade frisch mit Bildern des Bundestagswahlkampfs 2013 aktualisiert wurde. Auch hier fanden sich ritualisierte Handlungen, besonders Gesten, bei den Politikern wieder, angefangen von Willy Brandt, über Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Gerhard Schröder, bis zu Angela Merkel. Auffällig war, dass sich parallel zur religiösen Ikonografie auch im politischen Umfeld pseudosakrale Symbole und Haltungen entdecken ließen. So attestierte der Redakteur Hans-Joachim Neubauer von Christ & Welt beim kleinen Porträtbild von Gerhard Schröder "die Gestik und Mimik des Schmerzensmannes".
Der folgende kürzerer fünfteiliger Zyklus zum Thema "Medien" unter dem Titel "Ist die Erde eine Mattscheibe?" verdeutlichte, das auch hier, ähnlich wie bei Kirche und Politik, ein in sich geschlossenes System vorliegt, das mit genau festgelegten symbolträchtigen Gesten und Attributen (z. B. Papier und Stift in den Händen des Nachrichtensprechers) arbeitet.
Der letzte Zyklus "Nacht im Milieu" dokumentierte das halbseidene und kleinkriminelle Milieu der Kölner Nachtclubs und Prostituierten-Szene mit seinem System aus Machthierarchien und Ritualen, alles unter der vermeintlichen ägide des Eros. Innerhalb dieses Zyklus hing das einzige Farbbild der Ausstellung: es zeigte eine liegende Prostituierte in neckischer Pose auf einem Sofa, ihr Kopf ist auf dem Foto abgeschnitten, so dass tatsächlich nur die Sprache ihres Körpers eine Aussage macht. Bernd Arnold sagte dazu: Die Macht des Eros, des Irdischen, der Verführung, hat genauso ihren Platz im Räderwerk von gesellschaftlichen Machtkonstellationen.
So stellte der Fotograf Bernd Arnold diese so zunächst so unterschiedlich scheinenden gesellschaftlichen Systeme wie Kirche, Politik, Medien und Halbwelt in seinem großen Zyklus "Macht und Ritual" zu einem Kanon von Porträts, Studien von Gesten und Mimik in sehr dunklen Schwarz-Weiß-Aufnahmen zusammen. Und es ergaben sich, unter Vorbehalt der grundsätzlichen Unterschiede, erstaunliche Parallelen, die auf ein systemübergreifendes Vokabular von Machtsymbolen und Ritualsteuerungen schließen lassen.
Bernd Arnold hat sich bereits früh, seit den 1980er Jahren und dann mit seiner Diplomarbeit "Nacht im Milieu" von 1990 an der FH Dortmund mit der Thematik "Macht und Ritual" und dem entsprechenden Darstellungsmodus in fast schwarzen Bildern auseinandergesetzt. Obwohl die Fotos so konzeptionell wirken, geht der Künstler Arnold mit der Materie fast spielerisch um. Eigentlich ist er zunächst nur der zurückhaltende Betrachter, ein Bildjournalist, der im Hintergrund bleibt, der aber immer die bestimmten Momente, die besonderen Perspektiven sammelt. Und in der Gesamtschau zeigen sich für ihn dann die verbindenden Strukturen: eine Hand, die am Rednerpult aufleuchtet, eine Hand, die das Kommunionkind nach vorne zur Prozession drückt, eine Hand, die applaudiert, eine Hand, die besitzergreifend auf der Schulter liegt.
Bernd Arnolds Fotos sind so: Sie sind immer etwas anders als die Norm, lassen Persönliches, Intimes aufblitzen, ohne jedoch indiskret zu sein. Sie sind somit nicht nur reine analytische Dokumentationen, sondern weit darüber hinaus Kunstbilder, die Menschliches und Allzumenschliches preisgeben.
Text © Prof. Dr. phil. Stefanie Lieb in:
Die Wirkkraft des fotografischen Bildes in Zwischenraum 01/14, S. 2-3
Siehe auch
WAHL KAMPF RITUAL –
Edition Panorama, Mannheim, 2013
DAS KÖLNER HEIL -
Schaden Verlag, Bornheim, 1997
Review Macht und Ritual – Dr. Christoph Schaden, Kunsthistoriker, Köln